Für Ulrike

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"Ich empfinde es als Pseudo-Abschwur"


Interview mit Bettina Röhl - Journalistin und Tochter von RAF-Mitbegründerin Ulrike Meinhof zur Auflösungs-Erklärung der RAF

Aus einem Sendemanuskript des Bayerischen Rundfunks

Frage: Frau Röhl, wie intensiv war in den letzten gut 20 Jahren nach dem Tod Ihrer Mutter Ulrike Meinhof überhaupt der Kontakt zur RAF-Szene?

Bettina Röhl:

"Eigentlich sehr gering, weil ich außer in der Kindheit ganz, ganz wenig mit RAF-Leuten zu tun hatte, aber ich habe natürlich bestimmte Kontakte quasi geerbt. Also es gibt einige Verwandte von mir, die Sympathisanten waren und es gibt auch Terroristen, Ex-Terroristen, alte Terroristen, mit denen ich jetzt noch locker Kontakt, eher einschlafenden Kontakt habe, die halt Freunde meiner Mutter waren und mit denen ich mich, auch eher privat natürlich, gelegentlich treffe."

Frage: Gibt es denn Reaktionen aus diesen Kreisen nun auf diese offizielle Auflösungserklärung der RAF?

Bettina Röhl:

"Dazu kann ich leider nichts sagen, also ich habe jetzt keinen Kontakt in der Form, daß ich mit denen telefoniere oder so, die würden mir auch nichts sagen, da sie ja wissen, dass ich mit ihren Zielen nichts zu tun habe, oder auch mit ihrer Politik."

Der vollständige Text der Auflösungserklärung -->

Frage: Wie analysieren Sie dieses Schreiben, in der die RAF eingesteht, daß die alte Terrorstrategie gegen den Staat ja gescheitert ist ?

Bettina Röhl:

"Also ich finde, was ich jetzt an Reaktionen mitkriegt, gestern und heute, dass es insgesamt zu ernst genommen wird, also auch vom BKA. Da werden jetzt sehr viele Ex-Terroristen interviewt und so und ich finde, man muß sich also auch vor Augen halten, dass eben Aussagen von Mördern auch in Zweifel zu ziehen sind und uns auch eigentlich nicht von Interesse für uns darstellen sollten, also auch das BKA den Abschwur, den ich nicht als solchen empfinde, sondern eher als Pseudo-Abschwur, auch mit einer gewissen Distanz sehen muss."

Frage: Das heißt aufgrund der Analyse dieses Textes würden Sie sich gar nicht auf den Standpunkt stellen, dass damit endgültig die Geschichte der RAF begraben ist ?

Bettina Röhl:

"Ne, also ich empfinde, das ist überhaupt keine Absage, also eine echt ehrliche Absage würde auch von den Zielen absehen, wenn man so Grundbausteine, es wird weiterhin behauptet, die Nachkriegszeit sei immer noch in der Kontinuität des Nazi-Regimes, es wird weiterhin behauptet, quasi eine Rechtfertigung, eine neue Rechtfertigung, dass Schleyer ermordet worden ist, was ich skandalös finde, es sind eigentlich alle alten Ziele und alle alten Ideologien erhalten geblieben, es wird allerdings gesagt, ok, wir sind jetzt gescheitert, also wir machen jetzt mal Urlaub. Also so würde ich das interpretieren."

Frage: Frau Röhl, Sie schreiben gerade ein Buch über Ihre Person, in dem natürlich das Leben Ihrer Mutter, Ulrike Meinhof, eine wesentliche Rolle spielt und Sie stelle darin die auch These auf, dass sich altes Gedankengut der RAF heute auch in gesellschaftlichen Gruppierungen, aber auch in politischen Parteien deutlich festmachen läßt. Können Sie da Beispiele nennen ?

Bettina Röhl:

"Also ich mache es zum Beispiel daran fest, dass ich letzten Sommer im Focus gelesen und auch auf einem Foto gesehen habe, dass Inge Viett bei den Wahlveranstaltungen, also die Ex-Terroristin und eine der Anführer des 2. Juni, Inge Viert, bei den Veranstaltungen der PDS dabei war. Und wohl so wertvoll der PDS erschien, dass sie mit ihr quasi Werbung gemacht haben. Dazu muss man ja wissen, dass sie für Mordversuch verurteilt worden ist und für einige Sachen auch noch nicht verurteilt worden ist, weil man es nie beweisen konnte, und es ist ja dann sehr fraglich, wie kommt so eine Partei dazu, mit so einer Terroristin zu werben. Und so gibt es eben auch andere Terroristen, die in den Medien sehr hofiert werden, Spitzenhonorare kriegen und eigentlich ihre Geschichte wunderbar ausbeuten heute und doch eine sehr hohe Akzeptanz haben im Sinne, dass sie sich so ein bißchen als die letzten Helden der Bundesrepublik, linken Helden verkaufen."

Frage: Thema Linksextremismus, wenn Sie sagen, die RAF ist in dieser Form sicherlich nicht Geschichte, sehen Sie andere Strömungen, die ähnliche Gefährdungspotentiale für den Staat noch darstellen könnten, neben der RAF ?

Bettina Röhl:

"Ne, grundsätzlich, seh’ ich keine RAF neu wachsen, aber das Potential, glaube ich, ist da und es gibt ja immer wieder kleine Gruppierungen, wie die "Antiimperialistische Zellen", das war eine kleine Gruppe, die Anschläge verübt hat und jetzt auch wieder in Haft sitzen, die hatten islamische Ausrichtung und wieviel da irgendwo an den Unis oder außerhalb der Unis noch wächst, das weiß man ja gar nicht. Und ich glaube schon, dass das Leute sind, die sich in der Tradition des Linksterrorismus befinden, ohne sich mit den Urhebern genau zu identifizieren oder zu wissen, wer das nun eigentlich gewesen ist."

Frage: Was wird denn nun aus den ganzen Fällen, spektakulären Mordfällen, Anschlägen, die nach wie vor unaufgeklärt sind ?

Bettina Röhl:

"Ja, das weiß ich auch nicht, also das, finde ich, würde ja in so eine richtige Abschiedserklärung mit hinein gehören. Also ganz offensichtlich, finde ich auch, sie unterschreiben mit "Roter Armee Fraktion," sie unterschreiben nicht mit ihrem Namen, damit haben sie ja eigentlich die RAF in dem Moment wieder neu gegründet."

Der vollständige Text der Auflösungserklärung -->